Exoten

Exoten, 2016  
   
Amaro, 150 x 150 cm
   
Jaron, 110 x 110 cm
   
Neo & Nuka, 110 x 150 cm
   
Shari, 110 x 110 cm
   
Tajo, 100 x 150 cm

Exoten

Als würden sie mit dem sie umgebenden Natur- und Farbenraum organisch ganz verschmelzen, präsentieren sich die mit individuellen Namen versehenen Charakterköpfe der Reihe Exotics dem Betrachter. In ihren ursprünglichen Lebensbereichen im westafrikanischen Tal des Flusses Omo sind eine ungewöhnlich große Zahl indigener Völker vertreten, deren Existenz gleich von mehreren Seiten bedroht erscheint. Insbesondere megalomane Staudammprojekte westeuropäischer oder asiatischer Investoren zwingen die Bewohner der außerordentlich fruchtbaren Flusslandschaft ihre angestammte Heimat zu verlassen. Nicht nur sie sind mit der Gefahr konfrontiert, in fremden Umgebungen ihre über Generationen erworbene Identität zu verlieren, sondern auch die Natur selbst wird ihrer mannigfaltigen Ausdrucksformen beraubt, wodurch der Artenreichtum von vielerlei Pflanzen und Tieren standardisierten Monokulturen weichen muss, die ihnen von außen und den damit verbundenen ökonomischen Interessen aufoktroyiert werden.

Als Beweis ihrer je spezifischen Individualität zeigt Eva Bur am Orde Amaro, Jaron, Mojo, Neo und Nuka, Pakka, Shari, Taio oder Zola in dieselben je unterschiedlich charakterisierenden Farbkombinationen. Gegen die eintönig industrielle Normierung der Alltagswelt buchstabiert die Künstlerin gewissermaßen so die Vielfalt und Pracht von Farbe, Form und das sie insgesamt umschlingende Ornament von A bis Z durch. Menschenwesen ein und derselben Natur, behaupten sie so dennoch nach wie vor ihr eigenes Wesen. Die fein ausdifferenzierten Komplementärkontraste schaffen dabei zusätzlich ein auch jeweils eigenes Klingen der Physiognomien der Dargestellten. Berühmt für ihre Vorliebe für prachtvollen Schmuck und Körperbemalung zeigen sie sich mal eins mit der Pflanzennatur, wenn Blätter und Blüten geschmeidig die Kopfkonturen einrahmen, als wüchsen ihre Augen, Nase und Mund wie aus diesen urwüchsigen Wildnissen heraus. An anderer Stelle haben sich die Ornamente vollends verselbständigt und breiten sich frei schwebend vom Naturraum über die menschliche Haut und den Körper aus.

Dieses rauschhafte Leuchten, das sich aus den Erinnerungen und Geschichten der Vergangenheit und damit aus der Verbundenheit mit allem Naturhaften speist, überträgt sich allerdings nicht auf die Mimik der Gezeigten. Statt einem zuversichtlichen Ausdruck oder gar einem Lächeln sind ihre Gesichter - angesichts des ihnen und ihrer bisherigen Lebenswelt Bevorstehenden - vielmehr von ahnungsvoller Nachdenklichkeit, Melancholie oder Trauer geprägt. Fasst Eva Bur am Orde die Reihe ihrer Malereien auch unter dem Titel Exoten zusammen, stellt sich doch unmittelbar die Frage, wer oder was denn nun wirklich als so „fremd“ anmuten kann. Die Figuren der Malerin jedenfalls waren über lange Epochen hinweg mit ihrer Heimat ineins verbunden und angestammt an ihren Orten, bis die eigentlich fremden Eindringlinge von weither kamen, um ihre Wälder zu roden, ihre Flüsse zu stauen und sie aus den althergebrachten Dorfgemeinschaften in die städtischen, seelenlosen Wohnsilos zu vertreiben. So wurden sie sich schließlich selber fremd.

Der Individualität der von Eva Bur am Orde gezeigten Charakterköpfe entsprechen selbst die Signaturen der Malerin in der Darstellung. An kleinen züngelnden Schlangen entlang erwa sind neben ihrem mythenumwobenen Vornamen Monogramme und die Datierung der Arbeiten bildhaft vermerkt. Mal umwinden die Ringeln ein Kugelgebilde wie die einer menschlichen Pupille, mal schlüpfen sie wie neugeboren aus einem ebensolchen hervor, das einem mit einfachen Meridianen versehenen Weltglobus in Kleinem entspricht, um – wie bei Neo und Nuka dieserart levitiert – mit den Mittel der Malerei in weite Fernen schweifen zu können.

Text: Clemens Ottnad